Am 29. Januar 2023 besuchte Ruth Weiss im Rahmen einer Matinee als Zeitzeugin das Zentrum für verfolgte Künste. Sylvia Löhrmann hatte sie in ihrer Funktion als Vorsitzende des Förderkreises des Zentrums eingeladen. Bürgermeister Thilo Schnor hieß Frau Weiss herzlich in Solingen willkommen. In Form eines Interviews zwischen den beiden Frauen sprach die heute 100-jährige Weiss vor rund 160 interessierten Zuhörerinnen und Zuhörern über ihr bewegtes Leben und ihr Erleben als Jüdin zur Zeit des Nationalsozialismus. Ruth Weiss musste Deutschland 1936 verlassen und konnte mit ihrer Familie nach Südafrika emigrieren. Dort erlebte sie das Apartheidsregime, gegen das sie sich später engagierte. In ihrem Kampf lernte sie viele Freiheitskämpferinnen und -kämpfer, darunter auch Nelson Mandela, kennen.

Ruth Weiss wurde in Fürth bei Nürnberg geboren und war acht Jahre alt, als die Nazis an die Macht kamen. Ihre Situation veränderte sich von einem Tag auf den anderen. Sie wurde gemieden, im Unterricht nicht mehr aufgerufen, und ihre Schwester wurde mit Dreck beworfen. Ihr Vater verlor bereits Anfang 1933 seine Stellung in der Spielzeugbranche aufgrund der rassistischen NS-Politik. Nach der Ernennung Adolf Hitlers zum Reichskanzler am 30. Januar 1933 und dem Ende der Weimarer Demokratie verschärfte sich die Situation rapide. Bereits im Frühjahr hatten die Hälfte der jüdischen Richter und Staatsanwälte ihre Arbeit verloren, ein Drittel der jüdischen Angestellten war arbeitslos, und etwa 37.000 Juden verließen im ersten Jahr der NS-Herrschaft Deutschland. Wie Ruth Weiss erst nach Kriegsende erfuhr, fielen ihr Onkel väterlicherseits und Verwandte ihrer Mutter den Gräueltaten der Nazis zum Opfer. In ihrem Einsatz gegen Antisemitismus und Rassismus, auch in ihren Romanen, ist es ihr wichtig, über das jüdische Leben in Europa aufzuklären. Auf die Frage von Frau Löhrmann, was sie als Zeitzeugin noch mitgeben möchte, regte sie an, dass an den Schulen mehr Debatten und Austausch stattfinden sollten, da dies ihrer Meinung nach fehlt.

Ruth Weiss’ Vater war bereits in Südafrika, als sie 1936 mit ihrer Mutter und Schwester dort ankam. In Südafrika wurde Weiss Wirtschaftsjournalistin und Romanautorin. Ihr Buch „Meine Schwester Sara“ wurde in einigen Schulen als Deutschlektüre verwendet. Sie lebte unter anderem in Simbabwe, England und Deutschland und erhielt zahlreiche Ehrungen, darunter das Bundesverdienstkreuz 1. Klasse und die Ehrenpräsidentschaft des PEN-Zentrums deutschsprachiger Autoren im Ausland. Im Jahr 2022 verlieh ihr der PEN den OVID-Preis.

Der Förderkreis des Zentrums für verfolgte Künste mit der Vorsitzenden Sylvia Löhrmann und das Team des Museums gratulieren Ruth Weiss zum 100. Geburtstag am 26. Juli 2024.