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Dr. Jürgen Joseph Kaumkötter

Die vergessenen Spiele

Die Volksolympiade 1936 in Barcelona und ein europaweites Kunstprogramm als Widerstand gegen die NS-Olympiade in Berlin

Plakat der Volksolympiade (spanisch Olimpiada Popular) in Barcelona
Plakat der Volksolympiade (spanisch Olimpiada Popular) in Barcelona

Die Olympischen Spiele 1936 in Berlin boten den Nationalsozialisten die einzigartige Gelegenheit, das Regime international in einem positiven Licht zu präsentieren. Auch die Kunstolympiade, die bis 1948 integraler Bestandteil der Großveranstaltung war, wurde propagandistisch genutzt. Ein Höhepunkt der internationalen Protest-Veranstaltungen gegen die Olympischen Sommerspiele in Berlin sollte die Volksolympiade (spanisch Olimpiada Popular) in Barcelona werden. Sie wurde durch den Putsch von General Franco vereitelt.

1913 beschloss das Internationale Olympische Komitee (IOC), dass die kommenden Olympischen Spiele 1916 in Berlin stattfinden sollten. Direkt nach der Vergabe der Spiele wurde 1913 auf einer Pferde-Rennbahn im Berliner Grunewald das Deutsche Stadion errichtet. Wegen des Ausbruchs des Ersten Weltkriegs im August 1914 fanden die Olympischen Spiele 1916 nicht statt. Nach dem Ersten Weltkrieg schloss das IOC das Deutsche Reich als „offiziellen Kriegsverursacher“ aus der olympischen Gemeinschaft aus. Der Bann dauerte bis 1925. Berlin bewarb sich erneut um die Austragung der Spiele und am 31. Mai 1931 vergab das IOC die Sommer- und Winterspiele 1936 nach Berlin und Garmisch-Partenkirchen.

Nach der Machtübernahme der NSDAP im Januar 1933 boten die Olympischen Spiele den Nationalsozialisten die einzigartige Gelegenheit, das Regime international in einem positiven Licht zu präsentieren, es als friedlich, fortschrittlich und stark darzustellen und die wahren politischen Ziele, wie die territoriale Expansion durch Kriege sowie die systematische Verfolgung und Vernichtung von Juden, Sinti und Roma, Homosexuellen und Behinderten, zu verschleiern.

The American Illustrated News war eine populäre US-amerikanische Illustrierte, bekannt für reichhaltige Illustrationen und detaillierten Berichte über aktuelle Ereignisse, Olympia-Ausgabe August-Oktober 1936, Seite 40-41, Quelle: illinoisstate.edu

Entgegen der ursprünglichen Planung, das Deutsche Stadion im Westen von Berlin für die Olympischen Spiele umzubauen, ordnete Reichskanzler Adolf Hitler im Oktober 1933 den Bau eines neuen Großstadions an. Ziel war es, mehr Raum für Masseninszenierungen und Propaganda-Effekte zu schaffen. Das Maifeld, direkt hinter dem Olympiastadion, ist bis heute eine der größten umschlossenen und nicht öffentlich zugänglichen Rasenflächen in Deutschland und wurde für Massenveranstaltungen mit bis zu 250.000 Menschen geplant.

Zeitgenössische Luftaufnahme des Olympiageländes in Berlin, mittig das Olympiastadion, unten die Waldbühne, dazwischen das Maifeld und links das Schwimmstadion. Quelle: Paul ichon, CC BY-SA 4.0, wikimedia commons

Noch bevor die Spiele begannen, erwies sich der erstmals durchgeführte Fackellauf vom griechischen Olympia nach Berlin als großer propagandistischer Erfolg. Die Idee stammte wahrscheinlich vom Sportfunktionär Carl Diem, der als Generalsekretär des Organisationskomitees fungierte und den Lauf bis ins kleinste Detail plante. Nachdem am 20. Juli 1936 das olympische Feuer um 12 Uhr mittags in den Ruinen von Olympia mit einem Parabolspiegel von den Sonnenstrahlen entzündet worden war, lief die Staffel über 3.000 km durch insgesamt sieben Länder. In vielen Städten wurden Volksfeste organisiert. Nur in Prag gab es Proteste gegen den Lauf. Das NS-Regime nutzte den Fackellauf zur Identifikation mit der Volksgemeinschaft, so gab es auf einer Waldlichtung in der Nähe von Berlin eine NS-Veranstaltung mit 20.000 Hitlerjungen und 40.000 SA-Männern. Am 1. August, dem Tag der Eröffnung, erreichte die Fackel Berlin. Als krönender Abschluss wurde mit der Fackel das olympische Feuer während der Eröffnungsfeier im Olympiastadion auf einem Altar entzündet.

Fritz Schilgen, ein deutscher Leichtathlet, trägt die olympische Flamme bei der Eröffnungszeremonie in das Berlin Olympiastadion. Quelle: wikimedia commons

Die Olympischen Spiele waren für die meisten Beucherinnen und Beucher ein friedvolles Volksfest. Schon der Zeitzeuge Sebastian Haffner wunderte sich: „Es ist typisch, wenigstens für die ersten Jahre der Nazizeit, daß die ganze Facade des normalen Lebens kaum verändert stehen blieb …“, allerdings nur für diejenigen, die zur ideologisch konstruierten Volksgemeinschaft gehörten und nicht vom NS-Regime ausgegrenzt und verfolgt wurden.

Berliner Publikum auf dem Rasen vor dem Olympiastadion während der Olympiade. Quelle: Bundesarchiv, B 145 Bild-P017213 / CC-BY-SA 3.0, wikimedia commons

Der Film „Olympia, Fest der Völker“ von Leni Riefenstahl dokumentierte propagandistisch die Massen-Inszenierung, wie beispielsweise der von Hitlers Leibarchitekten Speer entworfene Lichtdom – der nach Löschen des Olympischen Feuers unter Zuhilfenahme von Flakscheinwerfern vom Stadion aus erstrahlte. Bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin wurde die Kunst und Inszenierungen in einem weitaus stärkeren Maß als bei den vorhergehenden Spielen eingesetzt.

Titelillustration von Ludwig Hohlwein für das 2. Sonderheft der Berliner Illustrierten Zeitung, 1936, mit dem Titel „Die 16 olympischen Tage“, Quelle: wikimedia commons

Die Olympischen Kunstwettbewerbe

Die Olympischen Kunstwettbewerbe, auch als „Kunstolympiaden“ bekannt, waren ein integraler Bestandteil der Olympischen Spiele von 1912 bis 1948. Die „Kunstolympiaden“ basierten auf der Idee von Pierre de Coubertin, dem Begründer der modernen Olympischen Spiele, der glaubte, dass Sport und Kunst untrennbar miteinander verbunden seien und beide die höchsten menschlichen Ideale verkörperten. Die Wettbewerbe umfassten verschiedene Disziplinen der Kunst, darunter Architektur, Literatur, Musik, Malerei und Bildhauerei, wobei alle eingereichten Werke einen klaren Bezug zum Sport haben mussten.

Die ersten Kunstwettbewerbe fanden 1912 bei den Olympischen Spielen in Stockholm statt. Sie waren in fünf Kategorien unterteilt: Architektur, Literatur, Musik, Malerei und Bildhauerei. Die Wettbewerbe wurden mit Medaillen für die besten Werke ausgezeichnet, ähnlich wie in den sportlichen Disziplinen. Im Laufe der Jahre wuchs das Interesse an den Kunstwettbewerben, und die Anzahl der eingereichten Werke stieg kontinuierlich an. Nach dem Zweiten Weltkrieg begannen sich die Ansichten über die Rolle der Kunst in den Olympischen Spielen zu ändern. 1948 fanden in London die letzten offiziellen Kunstwettbewerbe statt. Das IOC entschied, dass die Kunstwettbewerbe nicht mehr im Einklang mit den Amateurprinzipien der Olympischen Spiele standen, da viele der teilnehmenden Künstler professionelle Künstler waren, die ihren Lebensunterhalt mit ihrer Kunst verdienten. 1954 wurden die Kunstwettbewerbe offiziell aus dem Programm der Olympischen Spiele gestrichen.

Katalog zu den Olympischen Kunstwettbewerb und zur Kunstausstellung 1936 in Berlin. Beachtenswert ist der Fries aus Hakenkreuzen im Stirnband der Porträtbüste

Das NS-Regime missbrauchte die Spiele für Agitation und Propaganda, und auch die Ausgestaltung der Olympischen Kunstwettbewerbe sollte ein völkischer Triumph werden. Im Vergleich zu den Spielen 1932 in Los Angeles war das Kunstprogramm noch einmal erweitert worden. Die Disziplinen Literatur und Musik waren nun in jeweils drei Veranstaltungen aufgeteilt worden. Dies führte zu einer Rekordzahl von 15 Kunstwettbewerben. Das deutsche Organisationskomitee hatte sogar noch mehrere zusätzliche Disziplinen vorgeschlagen, darunter Tanz, Gold- und Silberschmiedekunst und Film, aber keiner dieser Vorschläge wurde vom IOC genehmigt.

Propagandaminister Joseph Goebbels bei der Eröffnung der Olympischen Kunstausstellung in den Messehallen am Funkturm in Berlin, 1936. Quelle: Bundesarchiv, Bild 183-1992-0421-500 / CC-BY-SA 3.0, wikimedia commons

Die realen Kunstobjekte wurden vom 15. Juli bis zum 16. August in der Halle 4 des Ausstellungsgeländes am Kaiserdamm ausgestellt. In diesem einen Monat Laufzeit erreichte die Ausstellung 70.000 Menschen. Die Kunstausschüsse hatten aber mehr Schwierigkeiten als zuvor, Beiträge zu finden. Die Einsendungen gingen nur langsam ein, und die Einreichungsfristen mussten verlängert werden. Einige Länder waren bei den Kunstwettbewerben überhaupt nicht vertreten, vor allem Frankreich und Großbritannien. Ihre Abwesenheit wurde durch ein mehr an Beiträgen der künftigen Achsenmächte Österreich, Deutschland, Italien und Japan kompensiert.

Es überrascht nicht, dass diese Nationen den Großteil der Preise abräumten. Deutschland allein gewann 12 Medaillen, davon fünf goldene. Italien gewann fünf Medaillen (eine Goldmedaille), und Österreich, Finnland und die Schweiz gewannen jeweils eine Goldmedaille. In drei Disziplinen wurden überhaupt keine Medaillen vergeben: Literatur, dramatische Werke; Musik, Instrumental- und Kammermusik; und Malerei, angewandte Kunst. In drei weiteren Disziplinen gab es keinen Goldmedaillengewinner. Die meisten Teilnehmenden sind heute vollkommen vergessen.

Kurt Thomas, der in Remscheid Lennep Abitur gemacht hat, gewann den zweiten Preis in der Sparte Musik, Solo- und Chorgesang des Olympischen Kunstwettbewerbs

Das Bergische Land, in dem unser Museum beheimatet ist, war im Bereich Musik im Olympischen Kunst-Wettbewerb vertreten. Der deutsche Komponist und Chorleiter Kurt Thomas, geboren am 25. Mai 1904 in Tönning an der Eider, gestorben am 31. März 1973 in Bad Oeynhausen, machte sein Abitur am Röntgengymnasium in Lennep. Er war von 1925-1939 Dozent und Professor für Musik in Berlin, von 1957-1960 Thomaskantor in Leipzig (DDR) und von 1961-1969 Leiter des Kölner Bachvereins. Kurt Thomas war eine bedeutende Persönlichkeit in der deutschen Musikszene des 20. Jahrhunderts, dessen Karriere sowohl von großen Erfolgen als auch von kontroversen Diskussionen über seine NS-Verbindungen geprägt war. Für seine olympische Kantate erreichte er im Musik-Wettbewerb den zweiten Platz. Es finden sich auf der Künstlerinnen und Künstler-Liste auch Namen, die überraschen, wie Gerhard Marcks. Marcks war Lehrer am Bauhaus in Weimar. 1933 wurde er von den Nationalsozialisten entlassen und mehrere seiner Werke in der Ausstellung „Entartete Kunst“ diffamiert.

Nur wenige, sehr weitsichtige Menschen ahnten 1936, dass das NS-Regime all seine menschenverachtenden Drohungen drei Jahre später wahr machen würde. Hätte man genau hingeschaut, hätte man gesehen, dass der „Wolf Kreide gefressen hatte“ und Antisemitismus, Rassismus nur aus Propagandazwecken, zur Täuschung ein paar Wochen pausierten. Doch trotz der Toleranz ausstrahlenden olympischen Ringen blieb der Hass bestehen.

Das Foto eines britischen Reporters zeigt ein Schild mit der Aufschrift „Juden Zutritt verboten!“ am Vereinshaus des Ski-Clubs Partenkirchen und sorgte international für Empörung.

Das Foto eines britischen Reporters zeigt ein Schild mit der Aufschrift „Juden Zutritt verboten!“ am Vereinshaus des Ski-Clubs Partenkirchen und sorgte international für Empörung. Um einen Eklat zu vermeiden, ließ die deutsche Regierung genau wie in Berlin in der Umgebung von Garmisch-Partenkirchen die Judenverfolgungen einstweilen einstellen und antisemitische Plakate vorübergehend entfernen. Diese Maßnahmen zur Beruhigung der internationalen öffentlichen Meinung stießen bei den lokalen Nazis in Oberbayern auf wenig Gegenliebe. Antisemitismus und Rassismus brachen auch während der Olympiade immer wieder aus.

Diffamierende Karikatur über die Gegen-Olympiade in Barcelona, veröffentlicht in mehreren Zeitungen im Deutschen Reich 1936

Kurz vor Eröffnung der Sommerolympiade veröffentlichen Zeitungen im Deutschen Reich eine Karikatur. Man war sich bewusst, dass es eine Gegenolympiade und auch Protest-Ausstellungen und eine Boykottbewerbung gab. Das Regime stand vor einem Dilemma. Ignorieren konnte sie Boykott und Gegenolympiade nicht, andererseits hätte zu viel Aufmerksamkeit die Angst des Regimes offensichtlich gemacht, dass der Propagandaerfolg zunichte gemacht werden könnte.

Im Dezember 1935 wurde in Paris das „Internationale Komitee für die Wahrung des olympischen Geistes“ ins Leben gerufen. Es bestand aus deutschen Exil-Intellektuellen sowie Vertretern britischer, französischer, niederländischer, skandinavischer, tschechoslowakischer und schweizerischer Boykottkampagnen. In den USA wirkte ein „Committee on Fair Play in Sports“ im selben Sinne.

Im Juni 1936 fand in Paris eine „Konferenz zur Verteidigung der Olympischen Idee“ statt, auf der der im Exil lebende Schriftsteller Heinrich Mann die Boykottforderung begründete. Heinrich Manns Rede auf dem Kongress wurde im Wortlaut unter anderem vom Zürcher „Volksrecht“ abgedruckt. Er sagte: „Ein Regime, das sich stützt auf Zwangsarbeit und Massenversklavung; ein Regime, das den Krieg vorbereitet und nur durch verlogene Propaganda existiert, wie soll ein solches Regime den friedlichen Sport und freiheitlichen Sportler respektieren? Glauben Sie mir, diejenigen der internationalen Sportler, die nach Berlin gehen, werden dort nichts anderes sein als Gladiatoren, Gefangene und Spaßmacher eines Diktators, der sich bereits als Herr dieser Welt fühlt.“

In den Vereinigten Staaten von Amerika war die Boykott-Bewegung zwar relativ stark. Sie wurde unter anderem von wichtigen Sportverbänden sowie vom Gewerkschaftsdachverband AFL getragen. Avery Brundage, der Vorsitzende des amerikanischen Olympischen Komitees und späterer IOC-Präsident, war ein entschiedener Boykottgegner und organisierte für die finale Abstimmung im amerikanischen Olympischen Komitee eine knappe Mehrheit gegen den Boykott. Die Sowjetunion war zu jener Zeit nicht Mitglied der olympischen Bewegung und entsprechend stand ihre Teilnahme wie bei sämtlichen Olympischen Spielen seit dem Ersten Weltkrieg ohnehin nicht zur Debatte. Trotz des weltweiten Widerstands gegen die Olympiade scheiterte die Boykottbewegung. Anders als bei den beiden Boykott-Olympiaden 1980 und 1984 wollte keine wichtige Sportnation fernbleiben. Einzig Spanien sagte seine Teilnahme 1936 ab.

Volksolympiade in Barcelona

Ein Höhepunkt der Protest-Veranstaltungen gegen die Olympischen Sommerspiele Berlin sollte die Volksolympiade (spanisch Olimpiada Popular) in Barcelona werden. Viele Nationen wurden eingeladen und es war geplant, Hotels als Olympisches Dorf zu verwenden. Die Spiele waren vom 19. Juli bis zum 26. Juli geplant und hätten somit sechs Tage vor dem Beginn der Olympischen Sommerspiele in Berlin geendet. Zusätzlich zu den üblichen sportlichen Wettbewerben sollten auch Wettkämpfe im Schach, Volkstanz, Musik und Theater stattfinden.

Plakat der Volksolympiade (spanisch Olimpiada Popular) in Barcelona, Quelle: wikimedia commons

Rund 6.000 Athleten aus 22 Ländern hatten sich für diese Volksolympiade angemeldet. Der größte Anteil der Sportler kam unter anderem aus den Vereinigten Staaten, dem Vereinigten Königreich, den Niederlanden, Belgien und der Tschechoslowakei. Auch Mannschaften aus Deutschland und Italien, deren Sportler im Exil waren, hatten ihre Teilnahme angekündigt.

Plakat von Fritz Lewy aus der Zeit als Chefgrafiker des Westdeutschen Rundfunks, Quelle: wikimedia commons

Das Plakat der Olympiade stammt von Fritz Lewy, der 1893 in Essen geboren wurde. Lewy war Soldat im Ersten Weltkrieg und eröffnete 1919 ein Graphisches Atelier auf der Kreuzstraße in Düsseldorf. Er schloss sich der Künstlergruppe „Junges Rheinland“ an und entwarf Bühnenbilder für das Düsseldorfer Schauspielhaus. 1927 stieg Lewy zum Chefgrafiker des Westdeutschen Rundfunksauf. Im März 1933 wurde er als Jude entlassen, emigrierte im Sommer mit seiner Frau nach Barcelona, wo er weiter als Grafiker tätig war. 1938 gelang dem Ehepaar die weitere Emigration nach Cincinnati/Ohio. 1943 nahm Lewy die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Er starb 1950.

Zwei Tage vor der geplanten Eröffnung der Volksopympiade, am 17. Juli 1936, putschte General Franco, von Deutschland logistisch unterstützt. Der Putsch richtete sich gegen die demokratisch gewählte Madrider Volksfrontregierung. Am Eröffnungstag der Volksolympiade, am 19. Juli, begannen in Barcelona blutige Straßenkämpfe zwischen aufständischen Armeeeinheiten Francos und zivilen Sicherheitskräften. Die Volksolympiade, geplant als Fest des Friedens, konnte nicht ausgetragen werden. Zahlreiche Athleten und Athletinnen blieben in Spanien und schlossen sich dem Kampf für die Republik an.

Der Widerstand gegen die NS-Olympiade blieb nicht in der Welt des Sports stehen, Kunst und Exil engagierten sich vehement gegen Berlin 1936. John Heartfield war einer der einflussreichsten Künstler im Malik Verlag in der Weimarer Republik und in der Arbeiter-Illustrierte-Zeitung. Die A-I-Z erschien wöchentlich von 1921 bis 1933 in Berlin und von 1933 bis 1938 im Prager Exil. Eine Collage von John Heartfield ziert die Ankündigung der Olympia Sondernummer und war Teil der Sonderausgabe der A-I-Z zur Olympiade, die einen inoffiziellen Führer über die Gastgeberstadt und das Gastgeberland bot. Eine zweiseitige Karte zeigte die Standorte von Gefängnissen und Konzentrationslagern in ganz Deutschland.

D.O.O.D. oder die Olympiade unter der Diktatur

Zum Höhepunkt des Widerstands avancierte eine Ausstellung, die am 1. August 1936 im De Geelvinck-Gebäude in Amsterdam eröffnet wurde. Die Ausstellung ging auf eine Initiative der Künstlervereinigung zur Verteidigung der kulturellen Rechte (BKVK) und des Komitees zum Schutz des olympischen Gedankens (BOG) zurück. Für die Ausstellung wurden 256 Werke von 150 Künstlern aus den Niederlanden, Belgien, Frankreich, England, Schweden, der Tschechoslowakei und den Vereinigten Staaten eingereicht. Auch deutsche Exilkünstler lieferten Werke ein.

Plakat der Ausstellung D.O.O.D. oder die Olympiade unter der Diktatur

Noch bevor die Ausstellung begann, gab es Proteste des deutschen Botschafters in Den Haag und des deutschen Konsuls in Amsterdam. Der Amsterdamer Bürgermeister De Vlugt ließ noch vor der Eröffnung der Ausstellung einige Werke entfernen, darunter in einer ersten Zensur das Gemälde „Zeitbild“ 1934 von Harmen Meurs. In einer zweiten Zensur nach erneuten deutschen Protesten wurden auch die Zeichnungen „Schlegelkeller“ von Karl Schwesig über seine Folterung durch die SA in Düsseldorf entfernt. Infolgedessen wurden 1936 zwei Kataloge herausgegeben, einer mit dem ursprünglichen Aufbau der Ausstellung und eine zensierte Version. Der Aufbau der Ausstellung war erstaunlich komplex und trotz der Zensur in der Aussage politisch eindeutig.

Harmen Meurs, „Zeitbild“ 1934

Die Ausstellung „D.O.O.D. oder die Olympiade unter der Diktatur“ in Amsterdam war eine bedeutende Kunstveranstaltung, die als Protest gegen die Olympischen Spiele 1936 in Berlin organisiert wurde. Sie zeigte Werke von zahlreichen Künstlern, die ihre Missbilligung gegenüber dem NS-Regime und dessen Missbrauch der Olympischen Spiele für Propagandazwecke ausdrückten. Hier sind einige der Künstler, die auf dieser Ausstellung vertreten waren:

Max Ernst - Ein deutscher Maler und Bildhauer, der für seine surrealistischen Werke bekannt ist. Er präsentierte unter anderem das Gemälde „Die Horde“ (1927).

Gerd Arntz - Ein deutscher Grafiker und Künstler, bekannt für seine stilisierten Piktogramme und seine Arbeiten im Bereich der Isotype, die soziale und wirtschaftliche Daten visuell darstellten.

Karl Schwesig - Ein deutscher Künstler, der durch seine eindringlichen Zeichnungen bekannt wurde, die seine eigene Folter durch die SA in Düsseldorf dokumentierten und die brutale Realität des NS-Regimes enthüllten.

Fernand Léger - Ein französischer Maler, der für seinen kubistischen Stil bekannt ist. Seine Werke thematisierten oft die moderne Stadt und die Maschinenwelt.

Otto Freundlich - Ein deutscher Maler und Bildhauer, dessen Werke von den Nazis als „entartet“ diffamiert wurden und auf der Deportation nach Majdanek oder Sobibor ermordet wurde.

Robert Capa - Ein ungarisch-US-amerikanischer Fotograf, berühmt für seine Kriegsfotografie, darunter ikonische Aufnahmen vom Spanischen Bürgerkrieg und der Landung in der Normandie während des Zweiten Weltkriegs.

Christopher Nevinson - Ein britischer Künstler, der für seine Darstellungen des Ersten Weltkriegs bekannt ist. In der Ausstellung war sein Werk „Das zwanzigste Jahrhundert“ (1932) zu sehen.

Edouard Goerg - Ein französischer Maler, dessen Werk „Glück und Unglück des Landmanns“ (1936) ausgestellt wurde.

Frits Sieger - Ein niederländischer Künstler, der das Gemälde „Zeitbild“ (1936) präsentierte.

Willem van Leuden - Ein niederländischer Maler, der mit seinem Werk „Aussichtslosigkeit“ (1936) vertreten war.

Henk Henriett - Ein Künstler, der das bitter-ironische Werk „Der Jude ist unser Unglück“ (1936) schuf.

Henri Jannat - Ein französischer Künstler, dessen Werk „Der Ertrunkene“ (1936) für seine eindringliche Darstellung von Tragödien und Opfern politischer Verfolgung bekannt ist.

Peter Alma - Ein in Indonesien geborener Künstler, der in den Niederlanden lebte und arbeitete. Er war bekannt für seine sozial engagierte Kunst.

Nola Hattermann - Eine niederländische Schauspielerin und Malerin, die später in Surinam lebte.

Augustin Tschinkel - Ein tschechoslowakischer Künstler und Grafiker, der für seine avantgardistischen Werke und seinen Beitrag zur politischen Kunst in den 1930er Jahren bekannt war.

Die Ausstellung zeigte eine breite Palette von Stilen und Herangehensweisen. Sie vereint die Künstlerinnen und Künstler in ihrem Widerstand gegen die Diktatur und war die eigentliche Verkörperung des olympischen Geistes von Freiheit und Gerechtigkeit.

Die Olympischen Spiele werden von Diktaturen und autoritären Staaten oft als Plattform zur politischen Propaganda und internationalen Imagepflege missbraucht. Diese Regime nutzen die globale Aufmerksamkeit und die symbolische Bedeutung der Spiele, um ihre Macht zu demonstrieren und ihre ideologischen Botschaften zu verbreiten. Bei den Olympischen Spielen 1936 in Berlin sollte die Überlegenheit der „arischen Rasse“ und die Stärke des Dritten Reichs demonstriert werden. Durch sorgfältig inszenierte Veranstaltungen und die Kontrolle der Berichterstattung versuchte das NS-Regime, eine positive internationale Wahrnehmung als friedliches Land zu erzeugen, während es gleichzeitig die innenpolitische Unterdrückung und ideologische Verfolgung von Juden und anderen, die nicht in die nationalsozialistische „Volksgemeinschaft“ aufgenommen werden sollten, verschleierte. Ähnliche medialen Strategien wurden bei den Spielen 1980 in Moskau und 2008 in Peking angewandt, wo die autoritäre Regime die Spiele nutzten, um ihre politische Stabilität und wirtschaftliche Fortschritte zu betonen, während sie gleichzeitig Menschenrechtsverletzungen und politische Repression im eigenen Land vertuschten. Die Olympischen Spiele und auch andere sportliche Grossereignisse wie Fussball Weltmeisterschaften werden von autoritären Regimen missbraucht, um ihre Herrschaft zu legitimieren und ihre politische Agenda auf einer weltweiten Bühne voranzutreiben.

Berlin 1936 und die vergessene Volksolympiade in Barcelona sowie der grenzüberschreitende Widerstand der Kunst gegen diesen Missbrauch der olympischen Idee sollten uns stets eine Mahnung sein.

Der Essay basiert auf einem Vortrag im Forum Vogelsang IP am 3. Juli 2024 und einer Veranstaltung des Museums Zentrum für verfolgte Künste zusammen mit dem Solinger Sportbund am 25. Juli 2024. Der olympische Kunstwettbewerb und der Widerstand der Kunst gegen den Missbrauch der olympischen Idee in Berlin 1936 sind seit langem relevante Themen für das Museum. Eine intensivere Recherche wurde ausgelöst durch die Entdeckung, dass die bisher als verfolgte Künstlerin betrachtete Bildhauerin Milly Steger sich aktiv am olympischen Kunstwettbewerb 1936 und am NS-Regime beteiligt hatte.

Weitere Essays

Heinrich Mann entlarvte 1935 mit messerscharfen Worten aus dem Exil den Wahn des mörderischen NS-Regimes, ein tausendjähriges Reich zu sein, und urteilte: „Die Ewigkeit, die das Hitlerreich sich beimisst, ist nicht dieselbe, die es verdient. Es verdient ein Museum zur Aufbewahrung seiner Gräuel […] Die Zeichnungen und Gemälde von Karl Schwesig sind würdig, das Museum zu zieren. Sie sollen die Beschauer lehren, vor Scham zu weinen.“

Im Rahmen der Vorbereitungen einer Ausstellung über die Anfänge der documenta wurden zwei Kunstwerke aus der Sammlung der Bürgerstiftung für verfolgte Künste am Institut für Restaurierungs- und Konservierungswissenschaft (CICS) der Technischen Hochschule Köln kunsttechnologisch untersucht. Eines dieser Gemälde ist die „Trostlose Straße“ von Felix Nussbaum, das bisher auf das Jahr 1928 datiert wurde.